Wer bin ich?

Ich weiß wann du mit wem, wo, wie lange telefoniert hast. Bestimmte Menschen rufst du öfters an. Ich kenne deine Freunde, deinen Arzt, deinen Psychotherapeuten, deinen Wohnort, deine Reiseziele (am Wochenende) und deine Arbeitszeiten.

Ich sehe dich, wenn du in ein Flugzeug steigst, wenn du die S-Bahn benutzt, wenn du im Bus sitzt, wenn dein Auto immer über die große Kreuzung unten im Ort fährt. 30 Tage lang merke ich mir, dass du da warst.

Ich speichere deine Emails, die Seiten, die du surfst, ich weiß nach welchen Begriffen du im Internet suchst. Deshalb weiß ich auch welche Bücher du liest, welche Musik du magst, ob Single bist, worauf du beim Sex stehst. Wenn es mich ganz genau interessiert lese ich in den Emails nach, zum Beispiel dann, wenn einer deiner Bekannten verdächtigt wird eine Straftat begangen zu haben.

Außerdem kenne ich viele Internetseiten, die dich auf dumme Gedanken bringen könnten. Welche das sind darf ich natürlich nicht verraten, deshalb sperre ich die Seiten und sage dir kein Wort davon. Du wirst es allerdings schon merken, falls du doch mal auf die Seite gerätst. Spätestens, wenn das Bundeskriminalamt an deiner Haustüre klopft wirst du es merken. Meine verschiedenen Staats-/Polizeiorgane werden nämlich automatisch über deinen Besuch auf der Seite informiert. Die Ausrede, dass es ein Versehen, eine “Spaß”-Mail oder eine untergeschobene Email war zählt dann allerdings nicht.

Ich weiß wann du mit deiner EC-Karte bezahlst und in welchen Läden. Wenn ich möchte weiß ich sogar wann du was gekauft hast. Und wo du dich bewegst weiß ich auch, denn ich weiß wo du dein Geld am Automaten abhebst.

Bald werde ich dich noch besser kennen lernen. Ich kann deinen Personalausweis dann orten, egal wo du bist. Ich kenne deine persönlichen Daten, ich habe Fingerabdrücke von dir und ein biometrisches Foto, mit dem ich dich leicht auf  Videoaufnahmen, zum Beispiel aus der Bahn, erkennen kann.

Wenn ich deine Krankenakte einsehen möchte, muss ich nur von fern deine Gesundheitskarte auslesen, oder dann, wenn du sowieso beim Arzt bist. Dann weiß ich zum Beispiel ob du rauchst, ob du Asthma hast, ob du Magenschmerzen hattest als du ein kleines Kind warst, oder gegen welche Dinge du allergisch bist.

Zusammen mit deiner Adresse kann ich deine Steuererklärung leicht ausfindig machen. Jetzt weiß ich wieviel du verdienst, ob du in einer Kirche bist und ob du Kinder hast. Ganz vielleicht weiß ich das aber auch schon. Trotzdem gehe ich auf Nummer sicher.

Trotzdem habe ich Angst vor dir. Dann muss ich herausfinden was du denkst, und was du wirklich am Telefon sprichst. Zum Glück kann ich dich auf dem Handy, dem Festnetz und bei Internettelefonie leicht abhören. Ich breche heimlich in deine Wohnung ein und installiere ein Programm, mit dem ich aus der Ferne deine Festplatte durchsuchen und deine Tastatureingaben aufzeichnen kann. Wenn ich ess dann noch immer nicht weiß schaue ich aus dem Nachbarhaus in deine Wohnung und baue Mikrofone auf, damit auch weiß worüber du dich bei einem Kaffee unterhältst.

In der Schule durchsuche ich deine Kinder mit Detektoren (bisher nur nach Waffen, aber bald vielleicht schon nach Büchern und MP3-Playern) und durchleuchte nicht nur dein Gepäck am Flughafen, sondern auch deine Kleidung.

Bald schon werde ich mit einem Scanner deine Absichten erkennen können. Dann erst kann ich hoffentlich sicher sein, dass ich sicher bin. Niemand kann mich bedrohen. Niemand kann ohne mein Wissen etwas tun, denken oder fühlen. Dann weiß ich alles.

Besonders wütend werde ich, wenn du versuchst dich, deine Worte und deine Gedanken zu verstecken. Dafür hast du nämlich eigentlich keinen Grund. Und wenn du einen dafür hast, dann ist er sicherlich verboten und deshalb muss ich dann alles Beschriebene ausnutzen, damit ich weiß, ob du wirklich etwas Verbotenes sagst, schreibst oder denkst.

Wenn du wirklich etwas Verbotenes getan hast finde ich auch bestimmt irgendwo in deinen gespeicherten Daten auch Beweise dafür. Ich muss nur lange genug suchen. Die Daten habe ich ja in weiser Voraussicht gesammelt.

Wer ich bin?

Nun, meine Name ist Überwachungsstaat und wenn ich alles richtig gemacht habe, dann weißt du noch nicht, dass du von mir umgeben bist.

Ich wünsche dir alles gute lieber Mensch, bald schon bist du, wie ich dich schon immer haben wollte. Durchsichtig.

PS: ich glaube nicht, dass ich mit diesem kurzen Text das Rad neu erfunden habe. Bestimmt gibt es das so, oder so ähnlich schon einmal im Netz. Bitte schickt mir doch einen Link o.ä.. Ich hatte nie vor zu klauen.

PPS: dieser Post wurde maßgeblich von dem Podcast des SWR (siehe vorheriger Post) beeinflusst. Danke an dieser Stelle.

PPPS: Liebe Grüße an das BSI, das BKA, das Innenministerium, den Staatsschutz, den Verfassungsschutz oder wie ihr euch alle nennt. Habe ich euch zum Schmunzeln gebracht?

PPPPS: wahrscheinlich sind sich die wenigsten Menschen bewusst, dass sie in einem Überwachungsstaat leben. Hoffentlich trage ich einen Teil dazu beim, dass es ein paar mehr sind.

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